Achtsamkeitsübungen – Was sie können, und was nicht.

Achtsamkeit (engl.: mindfulness) wird mittlerweile immer häufiger in der Stressprävention und der Stressbewältigung eingesetzt. Man kann Achtsamkeit als bestimmte Form von Aufmerksamkeit beschreiben – wie in dem gezeigten Cartoon. Bei Achtsamkeit geht es im Wesentlichen um die Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments – das JETZT. In der psychologischen Forschung zur Burnout-Prävention, Stressbewältigung und Förderung psychischer Gesundheit wird Achtsamkeit zunehmend nicht nur als Konzept, sondern auch als konkrete Methode mit praktischen Übungen und Strategien untersucht.

Wirkung von Achtsamkeitsübungen

Achtsamkeitsübungen können zum einen dabei helfen, mit belastenden Gedanken und Gefühlen besser umzugehen. Sie steigern die Fähigkeit, den aktuellen Moment bewusster wahrzunehmen, also im Hier und Jetzt zu sein. Das ist u.a. auch eine notwendige Bedingung für Genuss. Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, mehr Gelassenheit und Mitgefühl (mit sich selbst und anderen) zu empfinden, was kurz- und langfristig unsere Beziehungen verbessert. Und ganz wichtig, Achtsamkeit ist eine notwendige Grundlage für Veränderung, die wir bei uns erreichen wollen. Denn nur durch achtsames Wahrnehmen bestimmter eigener Muster und Verhaltensweisen können wir sie auch verändern. Und diese Veränderung passiert wiederum nur im aktuellen Moment – nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft. Einfluss haben wir immer nur auf das JETZT.
Achtsamkeit ist kurzgefasst das Gegenstück zum altbekannten „Autopiloten“.

Was Achtsamkeitsübungen nicht sind

Es gab zwar mit Beginn der Forschung um Achtsamkeit in den 1970er Jahren jede Menge Studien, die die positive Wirkung von Achtsamkeit in verschiedenen Bereichen untersuchten, ein Allheilmittel ist Achtsamkeit trotzdem nicht.
Zum Beispiel sind Achtsamkeitsübungen keine Entspannungstechnik im klassischen Sinn – auch wenn Entspannung ein angenehmer Nebeneffekt sein kann. Es geht auch nicht darum, die Gedanken „abzuschalten“ oder sich in positive Stimmung zu zwingen oder die individuelle Leistungssteigerung zu forcieren. Im Gegenteil: Achtsamkeit lädt dazu ein, auch schwierige Gedanken oder Gefühle da sein zu lassen – ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen oder diese unangemessen auszuagieren.
Und natürlich: Achtsamkeitsübungen stellen nicht für Jede:n die passende Methode dar, es gibt verschiedene Möglichkeiten der Stressbewältigung die ähnliche Ziele verfolgen. Achtsamkeit ist eine davon.

Was sagt die Forschung?

Es gibt kurzfristige wie auch längerfristige Effekte von Achtsamkeit. Man kann das mit Muskelaufbautraining vergleichen. Wenn ich den ganzen Tag Kniebeugen mache, habe ich abends vermutlich einen größeren Oberschenkelumfang. Allerdings stellt sich der Effekt sehr schnell wieder ein. Trainiere ich jedoch über mehrere Wochen täglich ein wenig, dann habe ich bald eine solide Beinmuskulatur, die sich auch im restlichen Alltag positiv auf meine Tätigkeiten auswirkt. So ist es auch mit der Achtsamkeit.
Damit längerfristige und damit nachhaltige Effekte erzielt werden, sollte Achtsamkeit laut Forschung etwa 8 Wochen, täglich 10-15 Minunten geübt werden.

Langfristige Effekte können unter anderem sein:

• Nachhaltige Stressreduktion und verbesserte psychische Gesundheit
• Erhöhte emotionale Stabilität und innere Ausgeglichenheit
• Stärkung der Selbstakzeptanz
• Vorbeugung gegen Burnout und psychische Erschöpfung

Kurzfristige Wirkung können unter anderem sein:

• Kurzfristige Verringerung von Stress und innerer Anspannung
• Kurzfristig verbesserte emotionale Regulation und Konzentration

 

Ich lade Sie im Folgenden ein, zwei Übungen aus der Achtsamkeitspraxis auszuprobieren.

Zwei einfache Achtsamkeitsübungen für den Alltag

 

1. Atem-Achtsamkeit – 2 Minuten Anker

In dieser kurzen Achtsamkeitsübung lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung. Dadurch verankern Sie sich im gegenwärtigen Moment statt mit den Gedanken in Vergangenheit oder Zukunft zu sein. Und egal wo Sie sind, den Atem haben Sie als „Werkzeug“ immer mit dabei. So geht’s:

• Setzen Sie sich bequem hin, schließen Sie die Augen, wenn Sie möchten.
• Spüren Sie, wie die Luft ein- und ausströmt.
• Sie müssen nichts verändern. Nur beobachten, wie Ihr Körper atmet – ganz von allein.
• Vielleicht finden Sie eine Stelle in Ihrem Körper, an der Sie den Atem ganz deutlich wahrnehmen können. Z.B. die Nasenflügel oder die Bauchdecke.
• Wenn Gedanken auftauchen, ist das okay. Wandern Sie mit der Aufmerksamkeit zurück zum Atem – wie zu einem inneren Anker.
• Öffnen Sie langsam wieder die Augen.
• Spüren Sie kurz nach: Wie geht es Ihnen jetzt?

Schwierigkeiten und mögliche Hinternisse im Zusammenhang mit Achtsamkeitsübungen:

  • „Mache ich das richtig?“ Die kurze Antwort: Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Es geht darum, dass Sie versuchen ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung zu lenken. Wenn die Aufmerksamkeit abschweift, ist das kein Versagen, sondern völlig normal. Unsere Gedanken tun das einfach. In der Übung geht es nur darum, dies möglichst freundlich zu bemerken – und wenn Sie es bemerken, dann hatten sie einen achtsamen Moment.
  • „Ich hab mich nicht entspannt.“ Achtsamkeitsübungen dienen in erster Linie nicht der Entspannung, sondern trainieren die Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment zu richten und helfen, uns innerlich zu regulieren. Also in’s Gleichgewicht zu bringen. Gleichzeitig kann Entspannung aber natürlich ein angenehmer Nebeneffekt sein.
  • „Die Gedanken hören nicht auf.“ Das ist völlig normal. Wir können Gedanken nicht „unterdrücken“ oder „beenden“. Sie kommen einfach, wie Wolken an einem Sommertag, den man eigentlich am Strand und in der Sonne verbringen wollte. Man darf sich natürlich über die Wolken ärgern, aber verschwinden werden sie dadurch vermutlich nicht. Achtsamkeit hilft uns die Wolken als Wolken wahrzunehmen und sie vorbeiziehen zu lassen.
  • „Ich habe keine Zeit dafür.“ Es kann sein, dass Sie den Eindruck haben, eine zusätzliche Aufgabe ist absolut nicht mit dem Tagesablauf vereinbar. Dann gibt es auch die Möglichkeit eine kurze Achtsamkeitsübung während des Arbeitsweges oder beim Warten auf das Mittagessen, oder beim Duschen durchzuführen.

2. Sinnes-Achtsamkeit

Diese Übung verbindet Achtsamkeit mit allen Sinnen, die Sinne eigenen sich hervorragend um uns in den gegenwärtigen Moment zurück bringen. Die Übung eignet sich besonders gut beim Spaziergang draußen in der Natur. So geht’s: 

• Atmen Sie ein paar Mal ruhig ein und aus.
• Wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf, was sie gerade Sehen … welche unterschiedlichen Farben … Formen… und Bewegungen können sie wahrnehmen? Lassen Sie die verschiedene Reize auf sich wirken.
• Wenden Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf die Geräusche … Tiere … Blätterrauschen … was hören Sie gerade?
• Nehmen sie nun alle Gerüche wahr… bewerten sie nicht in angenehm oder unangenehm … nehem Sie einfach wahr was gerade da ist.
• Spüren sie nun was sie auf Ihrer Haut fühlen … Wind… Wärme… Wie fühlt sich der Boden unter Ihren Füßen an?
• Nehmen sie die SInneseindrücke einfach nur wahr … lassen Sie die Wahrnehmungen auf sich wirken.
• Spüren Sie kurz nach: Wie geht es Ihnen jetzt?

 

Nun haben Sie zwei einfache Übungen kennengelernt. Probieren Sie es doch gleich mal aus.